Bringen wir es zu Ende!
Urs hob die Axt zum Schlag. Doch er hatte dazu gelernt.
Im letzten Moment ließ er die Waffe sinken, machte einen langen Schritt nach vorne und hieb mit voller Wucht die Faust in die Magengrube seines Gegners.
Geralt schnappte nach Luft. Damit hatte er nicht gerechnet. „Uff!“, grunzte er. „Gar nicht übel, Bärenjunges, gar nicht übel!“ Er knirschte mit den Zähnen, hatte sich aber direkt wieder im Griff. Sein mutierter Organismus schüttete Adrenalin aus, der Schmerz verflog im Bruchteil von Sekunden und brachte den Hexerkörper in Alarmbereitschaft.
Der Bär, über seinen unerwarteten Treffer vollkommen perplex, stand da wie angewurzelt.
„Was stehst du da und glotzt, Dummkopf?!“, blaffte der Wolf ihn an.
Geralt zögerte keine Sekunde. Er nahm Schwung und rammte dem Bären mit voller Wucht die Schulter in die Rippen, dass es nur so krachte. Rippen brachen. Urs taumelte einige Schritte nach hinten.
Mit Mühe fand er das Gleichgewicht wieder, doch die Freude war von kurzer Dauer. Der Bär wurde von einer enormen Druckwelle getroffen und endgültig von den Beinen gerissen.
Recht unsanft flog Urs in eine Ecke, wo er für eine ganze Weile benommen sitzen blieb. Er japste nach Luft, die gebrochenen Rippen nahmen ihm fast den Atem.
„Verflucht, was war das, wie hast du das gemacht??“, brachte er mühsam hervor.
Geralt, völlig ruhig, blickte mit einem bösen Grinsen auf den Bären hinab.
„Wie? Du willst doch so ein großer Hexer sein und kennst keine Hexerzeichen? Keine Magie? Nein? „Aard“ hat dich getroffen, mein Lieber. Erzeugt eine Druckwelle. Aber das hast du ja gemerkt.“
Urs starte betreten vor sich hin. „Nun bring es schon zu Ende, ich hab's nicht anders verdient...“
„So ein Blödsinn!“, fuhr Geralt ihn an, und hielt ihm die Hand hin. „Los, steh auf! Ich will mit dir reden!“
Urs rappelte sich mühsam auf und schaute zu Boden.
Sein Gegenüber, bemüht, sein Adrenalin wieder in den Griff zu bekommen, funkelte ihn finster an.
„Was ist nun?! Hast du mir etwas zu sagen? Dann raus damit!“
„Es tut mir leid...“, murmelte der Bär betreten.
Aber damit wollte sich der Wolf wohl nicht ganz zufrieden geben. „Was nuschelst du herum wie ein altes Weib? Ich kann dich nicht hören, du bist zu leise. Schließlich bin ich ein alter Mann, schon vergessen? Alte Männer hören nicht mehr so gut. Red deutlich mit mir!“
Urs holte tief Luft, soweit dies möglich war. „Ich war ein Dummkopf und ein Großmaul. Mein Betragen war unmöglich. Verzeih mir, Meister Hexer, dass ich an dir gezweifelt habe. Ich werde gleich meine Sachen packen und verschwinden, sofern du mich am Leben lässt...“
„Entschuldigung akzeptiert.“, grunzte der Wolf und lehnte sich gegen die Mauer. Das Adrenalin war verschwunden, der Schmerz kehrte zurück. „Du verdammter Drecksack hast mir eine Rippe gebrochen, glaub ich...“
Urs lehnte sich daneben. „Tut mir leid, entschuldige...“
„Tut mir leid, sagst du? Du hast wohl nicht alle Zweige am Baum! Tut mir leid! Schwachsinn! Ich alter Trottel hätte mich nicht täuschen lassen dürfen. Kannst dich glücklich schätzen. Die, die das vor dir geschafft haben, gucken sich die Radieschen von unten an.“
Geralt grinste schief. „Vesemir würde mir den Arsch versohlen, hätte er das gesehen. Ich glaub, ich werd wirklich zu alt für den Scheiß.“
Urs war nicht nach grinsen. Er schämte sich, die zerschlagenen Knochen schmerzen und er konnte kaum stehen.
„Meister Geralt?“
„Hmm?“
„Sag ehrlich: hatte ich eine Chance?“
„Nein.“
„Du hättest mich töten können, oder? Im Hemd und mit dem Holzschwert.“
„Jederzeit. Mit Leichtigkeit.“
„Warum hast du es nicht getan?“
„Warum sollte ich meinen Lehrling töten wollen, du Dummkopf? Du hattest eine Lektion nötig, und du hast deine Abreibung gekriegt. Fertig und vergessen. Allerdings hab ich so ein Gefühl, dass es wohl nicht die letzte gewesen sein wird...“
Urs konnte kaum glauben, was er da hörte. „Du willst mich weiter als Lehrling behalten? Trotz allem?“
„Sofern du das wirklich willst, ja. Aber du solltest es dir gut überlegen. Und dann müssen wir uns unterhalten. Über eure Experimente und deine „Hexerschule“. Etwas stimmt da ganz und gar nicht, fürchte ich...“
Geralt stieß sich von der Wand ab und hieb dem Bären auf die Schulter (was dieser dank der kaputten Knochen nicht wirklich zu würdigen wusste.)
„Aber nicht mehr heute. Für heute haben wir beide genug gelernt. Ich bring dich in die Krankenstation, damit die wieder richten, was ich kaputt gemacht hab. Wird schon wieder werden.“
Geralt grinste. „Und danach versuchen wir das mit dem Trinken noch einmal!“