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F - Im Schatten des Fa

Verfasst: So 30. Nov 2025, 15:15
von Valiarde
Im Schatten des Fa – Kür
Kategorie: Diorama

Zwei Sträflinge und ein Justizbeamter zur Zeit der Han-Dynastie, (um 200 v. Chr.)

In der Kür erleben wir, wie Li An und der neu eingelieferte Guo Jian (郭堅) unter der grausamen Hand des Justizbeamten Liu Zhen (劉真) im düsteren Kerker gemeinsam Hunger, Schmerz und Hoffnungslosigkeit erdulden müssen.

Diorama
Das Kerker-Dio war schon länger in Planung, hab ich aber für den Beitrag dann fertig gestellt und ist erstmalig im Einsatz. Den Wächter gabs schon. Ein paar Ratten hab ich noch mit Mühe auf Ebay gefunden. Sonst ist eigentlich nichts Neues dazu gekommen.

Ich hab das Ganze in eine kleine Geschichte eingebunden, die ich gemeinsam mit meinem neuen Lieblingsbuddy geschrieben habe (wobei „er“ den größeren Anteil daran hat). Man muss das aber nicht unbedingt lesen, eigentlich sollten die Bilder selbsterklärend sein.



Im Schatten des Fa – Die stumme Grausamkeit des Kerkers

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Der Geruch von feuchtem Stein hatte sich längst in Li Ans Lungen eingenistet, als wäre er Teil von ihm geworden, ebenso wie die Kälte, die durch seine zerfetzten Gewänder kroch. Er wusste nicht mehr, wie viele Tage vergangen waren, seit man ihn in diesen Kerker gestoßen hatte. Das Licht, das durch die schmale Öffnung hoch oben in der Mauer fiel, war sein einziger Beweis dafür, dass die Welt draußen noch existierte – ein fahler Streifen, der manchmal grün schimmerte, wenn der Wind Blätter davor wehte. Seine Gedanken waren träge geworden, schwer wie Wasser, das in einem stillstehenden Teich fault. Er hatte aufgehört zu hoffen, aufgehört zu zählen, aufgehört, sich gegen die Müdigkeit zu wehren, die seinen Geist umwölkte.
Zuerst war es nur ein kaum wahrnehmbares Echo, ein Geräusch, das sich unter den Tropfen mischte, die in regelmäßigen Abständen irgendwo in der Dunkelheit fielen. Li An spannte unwillkürlich die Schultern an. Sein Gehör, lange abgestumpft von der Stille, brauchte einen Moment, um das Fremde darin zu erkennen: Schritte. Mehrere.

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Der Gang zum Kerker war eng und düster, und die flackernde Öllampe an der Wand reichte gerade aus, um die Konturen der Ankommenden sichtbar zu machen. Liu Zhen, der Justizbeamte, stand mit unbewegter Miene vor der Zellentür, sein Auftreten ruhig, aber von jener selbstverständlichen Autorität getragen, die aus Erfahrung mit Schmerzen und Geständnissen stammte. Neben ihm wartete ein Wachmann, bereit, ohne Befehl nicht zu handeln, aber auch ohne zu zögern zu handeln, wenn er ihn erhielt.
Der neue Gefangene Guo Jian wusste noch nicht, was ihn in dieser Zelle erwartete, nur dass es kein Ort war, an dem jemand aufrecht blieb. Sein Atem verriet Anspannung.
Für Liu Zhen war dies ein vertrauter Ablauf: ein weiterer Sträfling, ein weiterer Körper, der der Dunkelheit überlassen wurde. Für Guo Jian jedoch war es der Schritt in eine Welt, die bereits einen gebrochenen Bewohner hatte — einen, der in der Dunkelheit des Kerkers wartete, ohne zu wissen, dass er bald nicht mehr allein sein würde.
So begann der Moment, in dem sich zwei Schicksale kreuzten — nicht als Begegnung, sondern als Anordnung.

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Die Kerkertür schwang auf, und Li An hörte es, bevor er verstand. Schwer hob er den Kopf, denn die Schritte im Türrahmen waren ihm vertraut — ruhig, selbstgewiss, ohne Hast. Noch bevor sein Geist den Namen fand, erkannte sein Körper die Veränderung in der Luft. Liu Zhen. Li Ans Kehle verengte sich, kaum zum nächsten Atemzug fähig.
Liu Zhen trat nicht näher, doch seine bloße Anwesenheit füllte die Zelle, lautlos und unerbittlich. Ein einziger Gedanke stieg in Li An auf, schwer und dunkel: Warum ist er zurück?
Denn Li An wusste: Liu Zhen kam nie ohne Grund.

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Liu Zhen trat näher, und Li An spürte es, noch bevor Hände nach ihm griffen. Die Ketten wurden angehoben, Schmerz fuhr in seine Schultern. Sein Körper sträubte sich schwach, nicht aus Hoffnung, sondern weil er sich daran erinnerte, was kam. Mit geübter Bewegung zog Liu Zhen die Fesseln nach oben, bis Li An gezwungen war, sich aufzurichten. Sein Atem war heiser, doch Liu Zhen schenkte ihm keine Beachtung.
Die Ketten spannten sich, hart und endgültig. Li An wusste, dass er so zurückgelassen werden würde — wie schon zuvor, durch die Nacht, durch die Stille, bis das Ziehen in den Gelenken unerträglich wurde.
Doch diesmal war jemand im Türrahmen sichtbar. Ein weiterer Gefangener, mit gefesselten Händen, bewacht, wartend. Li An sah ihn nur aus dem Augenwinkel, aber es reichte.

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Der Schlag der Bewegung kam abrupt. Ein Körper wurde durch die offene Tür gestoßen, stolperte zwei Schritte und fiel schwer zu Boden. Staub wirbelte hoch, Stroh raschelte, die Kette am Fuß des Mannes schrammte über den Stein und blieb klirrend liegen.
„Ab heute gehörst du zu dieser Zelle, Guo Jian“, sagte Liu Zhen, mit dem nüchternen Ton eines Mannes, der wusste, dass hier niemand schneller herauskam, als er hineingeworfen wurde.
Li An zuckte zusammen, so weit es seine hochgezogenen Arme zuließen. Er konnte nicht ausweichen, nur zusehen, wie der Fremde vor ihm aufschlug — keuchend, die Hände um ein zerfleddertes Bündel gekrallt.

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Der Fremde hatte sich kaum vom Boden gelöst, da kniete sich Liu Zhen schon neben ihn. Ohne ein Wort befestigte er die Ketten an dem Ring in der Mauer. Das Metall klirrte kurz, dann war es still.
Li An beobachtete es aus dem Augenwinkel, während sein Blick wie durch Zwang auf Liu Zhen heften blieb. Der Fremde presste die Lippen zusammen, aber er machte keinen Laut, während Liu Zhen die letzte Befestigung überprüfte. Li An schluckte trocken.
Jetzt waren sie zu zweit.

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Die Dunkelheit kam, ohne dass jemand eine Lampe löschte. Das Licht im Gang reichte nicht mehr bis zu ihnen, und die Zelle färbte sich in das kalte Blau der Nacht. Li Ans Arme brannten, seine Schultern zitterten, seine Beine knicken ein, doch die Fesseln hielten ihn aufrecht.
Sein neuer Zellengenosse saß reglos und schweigend am Boden. Sein Atem war hörbar, aber ruhig genug, um zu zeigen, dass er noch bei Bewusstsein war. Dann kamen die Geräusche. Ein Scharren. Ein Rascheln im Stroh. Kleine Krallen auf Stein.
Li An kannte sie. Noch bevor er sie sah, wusste er, dass sie wieder zahlreich waren. Ratten — viele. Sie bewegten sich ohne Scheu, näher, als gehöre die Zelle ihnen. Eine schnupperte an seinem Fußgelenk, eine andere kletterte zwischen den Kettengliedern des Fremden hindurch.

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Das erste Licht drang als fahler Schimmer durch die kleine Öffnung in der Mauer. Li An hatte nicht geschlafen. Seine Arme schmerzten, seine Knie zitterten. Dann hörte er Schritte – die Art von Schritten, die keinen Zweifel ließen, wem sie gehörten.
Liu Zhen trat ohne Ankündigung an ihn heran. Li An hatte gerade genug Zeit, den Kopf zu heben, da zischte schon die Peitsche durch die Luft. Er zuckte, der Schlag trieb ihm den Atem aus der Brust. Ein zweiter folgte, dann ein dritter – nicht aus Wut, sondern aus Gewohnheit.
Aus dem Augenwinkel sah Li An, wie Guo Jian sich schützend krümmte, die verdreckte Hanfmatte vor das Gesicht gedrückt. Liu Zhen wandte sich kurz zu ihm, als wolle er sicherstellen, dass auch er seine Rolle verstand. Liu Zhen hob erneut den Arm.
Der Morgen hatte erst begonnen.

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Als die Schläge verklungen waren und nur das Brennen auf der Haut blieb, kam wie zur Belohnung die Nahrungsration. Hungrig, beinahe hastig, schoben Li An und Guo Jian ihre leeren Schalen voller Gier bis zum Gitter hinaus, als hofften sie, der Tag hätte wenigstens einen Funken Erbarmen übrig. Liu Zhen jedoch füllte sie selbst — mit einem braunen, übelriechenden Brei, dessen Konsistenz sich kaum von dem unterschied, was sich kurze Zeit später im Fäkalieneimer wiederfinden würde. Sofort waren die Ratten zur Stelle, die den Fraß wohl eine Gourmet-Mahlzeit hielten.

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Li An lag auf der Seite, die Ketten lose um seine Arme und Beine, als hätte der Boden ihn einfach zurückgeholt. Die Erschöpfung drückte schwer auf seine Lider, doch er blieb wach. Nur halb, aber wach genug, um die Geräusche wahrzunehmen – das leise Atmen von Guo Jian, das ferne Tropfen irgendwo im Mauerwerk, und das Scharren einer Ratte, die sich näher wagte als in der Nacht zuvor.
Guo Jian sagte nichts, und Li An spürte, dass er nicht aus Furcht schwieg, sondern weil Worte hier keine Bedeutung hatten.
Der Wächter im Gang stand unbeweglich wie ein Schatten, der sich nur daran erinnerte, Mensch zu sein, wenn jemand aufbegehrte. Sein Blick streifte die beiden, ohne Interesse, ohne Urteil.
Li An schloss die Augen für einen Atemzug. Als er sie wieder öffnete, war alles unverändert. Nur eines war anders als die Tage zuvor: Zum ersten Mal seit langer Zeit war er nicht allein.

Re: F - Im Schatten des Fa

Verfasst: Mo 1. Dez 2025, 11:39
von Miri
Man leidet so richtig mit mit den armen Kerlen.

Re: F - Im Schatten des Fa

Verfasst: Mo 1. Dez 2025, 11:59
von Inge
Unheimlich echt und grausam gezeigt.

Re: F - Im Schatten des Fa

Verfasst: Mo 1. Dez 2025, 22:40
von russel1
Ja ganz tolle Fotos👍🏼.
Und die Geschichte dazu ist auch passend.